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Das Urteil gegen Anwar Raslan: Der erste Schritt auf dem langen Weg der Gerechtigkeit

Pressemitteilung zum Prozess gegen Syrische Sicherheitsbeamte in Koblenz

Heute, Donnerstag, dem 13. Januar 2022, verurteilte das Oberlandesgericht des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz den Angeklagten Anwar R., der am 09. Februar 2019 verhaftet wurde, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Haftstrafe.

Anwar Raslan arbeitete im Syrischen Ministerium der Inneren Staatssicherheit als Brigadegeneral und leitete vom Jahr 2011 bis er Ende 2012 Syrien verließ die Ermittlung der Al-Khatib Abteilung (Staatssicherheitsabteilung 251), die gefährlichste und einflussreichste Sicherheitsabteilung Syriens.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, mehr als viertausend Gefangene gefoltert und 58 andere getötet zu haben, zusätzlich zu anderen Anklagen im Zusammenhang mit Vergewaltigung und sexueller Gewalt.

Am 23. April 2020 wurde sein öffentlicher Prozess vor dem Landgericht Koblenz eingeleitet und innerhalb von 21 Monaten legten 29 Kläger und Opfer neben vielen Sachverständigen, Polizisten und Zeugen zur Verteidigung des Angeklagten ihre Aussagen vor.  

Das Syrische Zentrum für Rechtswissenschaften und Forschung begrüßt das Urteil als historischer Wendepunkt in der Geschichte der Deutschen Justiz und der globalen Gerechtigkeit.

Das heutige Urteil ist historisch, da es gegen eine Person mit einem hohen militärischen Dienstgrad in Syrien ergeht. Anwar R. wurde im Rahmen der systematischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die das autoritäre Regime in Syrien unter Beteiligung aller seiner Sicherheits-, Militär-, Politik- und Medienvertreter verübt, verurteilt.

Das heutige Urteil ist historisch, da zum ersten Mal ein Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren Verbrecher verurteilt, die einem noch existierenden Regime angehören, das noch immer an der Machtposition ist und weiterhin täglich dieselben Verbrechen begeht. Zum ersten Mal werden Gerechtigkeitsmaßnahmen vor dem Ende einer Krise und bevor die Verbrechen aufhören ergriffen, ohne dass sie von der Politik kontrolliert, eingeschränkt oder abgeschafft werden.

Es ist historisch, da die Gerechtigkeit mit dem Wunsch und den Bemühungen der Opfer beginnt und durch unabhängige Justiz verwirklicht wird.

Die Entscheidung, auch wenn sie über einen einzigen Angeklagten ergeht, ist ein sehr wichtiger Schritt hin zur Gerechtigkeit und verurteilt das Syrische Regime, das die Bevölkerung seit länger als fünfzig Jahren mit Eisen, Feuer, Angst und Terrorismus regiert. Das Kriminelle politische Syrische System erscheint heute sowohl vor dem Deutschen Gericht, in den Aussagen der Zeugen, Opfer und Sachverständige, als auch in den Einschüchterungsversuchen der Zeugen und deren Familien in Syrien.

Die Verurteilung ist heute, zehn Jahre nach dem Syrischen Holocaust, eine Botschaft der Hoffnung an alle Opfer, dass Bemühungen um Gerechtigkeit zu Ergebnissen führen können und ist eine klare Verwarnung an alle Kriminellen, die grausame Verbrechen in Syrien verüben und verübt haben, sowie alle Komplizen, die den Mord syrischer Zivilisten billigend in Kauf genommen haben, dass sie der Verurteilung und Bestrafung keinerlei entkommen können und dass sie in der Zukunft keine Rolle in unserem Land spielen werden.

Wir wissen die Bemühungen der Polizeieinheiten und der Deutschen Staatsanwaltschaft, die Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, sehr zu schätzen und fordern ihre Unterstützung. Des Weiteren hoffen wir, dass sie den Weg zur Gerechtigkeit fortsetzen.

Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um Europäische Länder, die für Gerechtigkeit und Menschenrechte stehen, aufzufordern, die Teilnahme des Verbrecherregimes an Verhandlungen jeglicher Art zu untersagen und alles zu tun, was ihrer Macht steht, um Syrische Zivilisten zu schützen.

Zudem fordern wir die Strafverfolgungsbehörden in Österreich, Schweden, Norwegen, Frankreich, Schweiz, und Spanien, die offenen Akten über Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu prüfen und Haftbefehle gegen Verbrecher zu erlassen.

Außerdem erweisen wir den Sachverständigen, Aktivisten und den überlebenden Opfern, die in den Zeugenstand getreten sind, einen großen Respekt, dafür dass die allen Syrern Gerechtigkeit widerfahren ließen, indem sie die für sich selbst gefordert haben.

Wir danken unseren Partnern, dem Europäischen Zentrum für Verfassung und Menschenrechte“ECCHR“, den Syrischen Organisationen, dem Syrischen Zentrum für Medien- und Meinungsfreiheit „SCM“, dem Syrischen Netzwerk für Menschenrechte „SN4HR“, dem Internationalen, Unabhängigen und Unparteiischen Mechanismus der VN zur Unterstützung der Strafverfolgung von Völkerrechtsverbrechen in Syrien „IIIM“ und dem Zentrum für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht „CJA“ für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit.

Die Verwirklichung der Gerechtigkeit in Syrien betrifft nicht nur das Volk und die Zukunft Syriens, denn sie zeigt, dass schwere Menschenrechtsverletzungen immer geahndet werden können, unabhängig davon wo sie begangen wurden und gegen wen sie gerichtet sind.

Das Syrische Zentrum für Rechtswissenschaften und Forschung

13. Januar Koblenz