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dem deutschen Innenminister einen Brief über

Das Syrische Zentrum für Rechtsstudien und -forschung hat in Zusammenarbeit und Beteiligung mehrerer syrischer Organisationen in Deutschland dem deutschen Innenminister einen Brief über die rechtliche Situation und die Gefahren für die Syrer in Syrien und außerhalb Syriens in diesem Fall geschrieben sie kehren zurück
der Text des Briefes:

Sehr geehrter Herr Innenminister.

zunehmend wird über neue Lageeinschätzungen gesprochen, denen zufolge der Krieg in Syrien dem Ende nah sei – mit ihnen soll begründet werden, dass nun die Rückkehr bzw. Rücksendung syrischer Flüchtlinge diskutiert werden müsse.
Das Anliegen dieses Schreibens ist zu klären: Die Syrer*innen sind nicht nur vor den militärischen Kampfhandlungen in ihrer Heimat geflohen, sondern vor allem vor dem brutalen Krieg des syrischen Regimes gegen die eigene, friedlich Freiheit und Würde einfordernde Bevölkerung. Das Regime profitiert dabei von selbstgeschaffenen Gesetzen, die seinen Vertreter*innen umfasende Vollmachten und völlige Straffreiheit gewähren.
Neben dem systematischen willkürlichen Verschwindenlassen und Folter von Oppositionellen und Menschen, die dafür gehalten werden, schreckt das Regime nicht vor dem Einsatz international geächteter Kriegstaktiken zurück wie der Belagerung und Aushungern von Zivilisten, dem Einsatz von Fassbomben auf Wohngebiete und wiederholten Einsatz von Chemiewaffen. Die syrische Bevölkerung wurde aufgrund dessen millionenfach vertrieben bzw. zur Flucht gezwungen – Millionen Menschen flohen, in der Hoffnung, Schutz vor den skrupellosen Gewalttaten des syrischen Regimes zu finden. Doch solange dieses kriminelle Regime und seine Strukturen weiter an der Macht sind und es keine wirksamen Mittel der Abschreckung gibt, die neue Verbrechen verhindern könnten, werden Syrer*innen aus Angst um ihr Leben nicht nach Syrien zurückkehren.
Bei einer freiwilligen oder erzwungenen Rückkehr nach Syrien sind syrische Flüchtlinge einer Vielzahl praktischer und rechtlicher Risiken ausgesetzt, die ihr Leben und ihre Freiheit gefährden. In Gebieten, die nicht vom syrischen Regime kontrolliert werden, besteht Todesgefahr durch raketenbetriebene Granaten, Fassbomben, Bunkerbrechende Bomben und Splitterbomben sowie chemische Waffen, die die syrische und/oder russische Luftwaffen über Wohngebieten einsetzen.
Weiterhin drohen Unterdrückung, Strafverfolgung, Inhaftierung und möglicherweise Tod durch extremistische Organisationen, die weite Teile Syriens kontrollieren, wie HTS (hervorgegangen aus der Al-Nusra Front) und IS, aber auch Verbrechen durch weitere islamistische Gruppen in den von Rebellen kontrollierten Gebieten und durch die sog. Volksschutzeinheiten der PYD-Partei in den von der SDF kontrollierten Gebieten. Hunderte Menschenrechtsverletzungen sind in diesen Regionen von syrischen und internationalen Organisationen dokumentiert, in denen willkürliche Verhaftungen, Entführungen und Tötungen in den Gefängnissen bewaffneter Gruppen nachgewiesen wurde. Zudem sind Kinder in besonderem Maße betroffen, da sie neben den psychischen Folgen des Kriegs auch unter Zwangsrekrutierung und fundamentalistischer Indoktrinierung leiden. Grundbedarfe wie der Zugang zu Nahrung und Wasser, Strom und basaler Gesundheitsversorgung und Bildung sind nicht gesichert.
Die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in von der Opposition kontrollierten Gebiete würde daher vermutlich dazu führen, dass sich Rückkehrer*innen dazu gezwungen sehen, sich Milizen bzw. bewaffneten Gruppen anzuschließen, um ihr Überleben zu sichern, was die Kriegshandlungen verstärken würde und die Opferzahlen steigen lassen würde.
Die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in die Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes und seinen verbündeten Milizen stehen, würde sie der brutalen, systematischen und willkürlichen Strafverfolgung des Regimes aussetzen, das umfangreiche Listen mit den Namen gesuchter Personen angefertigt hat, die von den syrischen Geheimdiensten erstellt wurden und auf denen sich jegliche Personen befinden, die sich kritisch gegen das syrische Regime oder seine Praktiken geäußert haben.
In Gebieten, in denen sog. Versöhnungsprozesse durchgeführt wurden, nachdem das Regime diese Orte zurückerobert hat – wie z.B. Duma, Daraya, Daraa, Homs und andere Gebiete – wurden nachweislich tausende Menschen willkürlich verhaftet. Es wurden dutzende Fälle von Morden unter Folter dokumentiert, darunter auch Aktivist*innen, denen im Laufe der Verhandlungen von russischer Seite Schutz vor Verfolgung zugesichert worden war. Die Wehrpflicht würde Rückkehrer zudem dazu zwingen, ohne Ausbildung an der Front zu kämpfen, um Krieg gegen ihr eigenes Volk zu führen und die eigenen Städte zu zerstören.
Wie würde es also Flüchtlingen ergehen, die ohne jede Garantie zurückkehren? In der Vergangenheit wurden bereits dutzende Fälle von Flüchtlingen dokumentiert, die aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt sind und dort spurlos verschwanden, nachdem sie an der Grenze und an Checkpoints durch Sicherheitskräfte festgenommen wurden. Viele gelten immer noch als vermisst. Einige von ihnen sind Rückkehrer*innen aus Europa und insbesondere aus Deutschland. Mehr als 100.000 Menschen sind nachweislich in den Haftanstalten des Regimes und seinen zahlreichen Geheimdiensten verschwunden, wie auch die einschlägigen Berichte international anerkannter Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch, aber auch des UN-Menschenrechtsrats belegen. Zudem sind schätzungsweise mehr als 50.000 Inhaftierte in Haft ums Leben gekommen. Seit Sommer 2018 hat das Regime zudem indirekt diese Tötungen zugegeben, indem es die lokale Verwaltung Todesscheine ausstellen ließ, die den Angehörigen der Verschwundenen übergeben wurden. Auf den Todesscheinen wurden jedoch unglaubwürdige Todesursachen angegeben (i.d.R. Herzversagen), die Leichen wurden den Angehörigen nicht übergeben.
Als Zeugen von in Syrien begangenen Straftaten besteht für Flüchtlinge in Deutschland durch die Rückkehr eine zusätzliche Gefahr, insbesondere nachdem von der deutschen Bundesanwaltschaft internationale Haftbefehle gegen hohe Beamte des Regimes erlassen wurden. Die Zeugen würden bei einer Rückkehr somit der Gefahr der gezielten Tötung durch das Regime ausgesetzt. Darüber hinaus bestehen rechtliche Risiken für Flüchtlinge, die Haft und Folter riskieren, weil sie aus Syrien weggegangen sind, um Asyl zu suchen.
Ein Großteil der vorangestellten Aspekte sind in gesetzlichen Bestimmungen verankert, so dass die Praktiken der Geheimdienste und anderer staatlichen Stellen nicht nur willkürlich, sondern auch systematisch im Kontext der aktuellen Rechtsbasis erfolgen:
• Gesetz über den Militärdienst, erlassen durch das Dekret 30 von 2007. http://www.parliament.gov.sy/arabic/index.php
• Dekret Nr. 61 von 1950 verkündete Militärstrafrecht. https://groups.google.com/forum/
Darin wird geregelt, dass Syrer, die sich dem Militärdienst entziehen, mit der Todesstrafe bestraft werden. Das betrifft alle männlichen syrischen Flüchtlinge im Alter von 18 bis 52 Jahren. Sie müssen daher bei ihrer Rückkehr nach Syrien davon ausgehen, direkt festgenommen zu werden, und an ein Militärgericht oder den Gerichtshof für Terrorismus verwiesen zu werden, wo ihnen die Verurteilung zur Todesstrafe droht. Zudem können sie illegale Ausreise aus dem Land mit dreimonatiger Haftstrafe und Geldstrafe belegt werden. Dies erfolgt auch, wenn die Person nicht ausdrücklich von den Sicherheitsbehörden gesucht wird: Eine kritische Äußerung gegen das Regime oder öffentliche Erklärungen, die vom syrischen Regime als kritisch angesehen werden, oder auch schon die Beantragung von Asyl im Ausland kann als Grund ausreichen.
• Dekret Nr 55 von 2011 gibt den Sicherheitsdiensten und der Polizei das Recht, Festgenommene für 60 Tage festzuhalten, ohne sie vor Gericht zu stellen oder den Zugang zu einem Anwalt zu ermöglichen. Anwälte dürfen zudem auf Basis dieses Dekrets daran gehindert werden, mit ihren Mandanten in Haft der Polizei- bzw. Sicherheitsdienste Kontakt aufzunehmen. https://groups.google.com/forum/
All dies wird von verschiedenen Arten der Folter, unmenschlichen Haftbedingungen, dem Entzug medizinischer Versorgung, mangelhafter Ernährung und anderen Missständen begleitet, weshalb der Tod der Inhaftierten bewusst in Kauf – wenn nicht gar beabsichtigt – wird.
Folgende Dekrete sichern dem Präsidenten, den Sicherheitskräften, der Armee und der Polizei volle Immunität vor Strafverfolgung und bei Gerichtsverfahren für jegliche von ihnen begangene Verbrechen zu. Seit 2011 ist in Syrien kein einziger Fall bekannt, in der die syrische Justiz einen Sicherheits-, Armee- oder Polizeibeamten wegen einer Straftat strafrechtlich verfolgt hätte. Dadurch ist der Schutz für mögliche Opfer dieser Menschenrechtsverbrechen in Syrien nicht gegeben.
• Straffreiheit für Verbrechen, die durch Personal der Sicherheitsdienste und Polizeidienste erfolgen: Artikel 16 des Dekrets Nr. 14 und Dekret Nr. 55 von 2001
Darüber hinaus sind syrische Staatsbürger nicht dazu berechtigt, Sicherheitsbeamte für Verbrechen anzuklagen. Dies ist nur dann möglich, wenn die Zustimmung des Präsidenten erfolgt, wie im Artikel 16 des Gesetzesdekrets Nr. 14 zur Einrichtung der Staatssicherheitsverwaltung festgelegt ist. https://www.shrc.org/?p=7451.
Gemäß Artikel 19 des oben genannten Militärstrafrechts und gemäß der Änderung von Baschar al-Assad durch Dekret Nr. 55 von 2001, das die Polizeibeamten im Hinblick auf die Strafverfolgung mit dem Militär gleichstellt, kann Militär- oder Polizeipersonal für die von ihm begangenen Verbrechen ebenfalls nicht strafrechtlich verfolgt werden, bevor die Zustimmung des Verteidigungsministers erfolgt.
• Umfassende Straffreiheit für den Präsidenten: Artikel 117 der Verfassung schützt den Präsidenten der Republik vor jeglicher gerichtlichen Verfolgung von Straftaten mit Ausnahme des Tatbestandes des Verrats
Gemäß der durch Dekret Nr. 98 von 1961 verfügten Zusammensetzung des Obersten Justizrates ist die Justizbehörde in Syrien nicht unabhängig, sondern folgt der Exekutive. http://www.parliament.gov.sy/arabic/index.php….
Gemäß Artikel 65 besteht der Oberste Justizrat aus sieben Mitgliedern unter der Leitung des Präsidenten der Republik: der Justizminister als sein Stellvertreter, der Präsident des Kassationsgerichts, die beiden ranghöchsten Berater, der stellvertretende Justizminister, der Leiter der Justizinspektionskommission und der Generalstaatsanwalt der Republik. Das bedeutet, dass vier Mitglieder des Rates der Exekutive unterstehen und der Rat daher der Entscheidung der Exekutive unterliegt. Das Gesetz unterscheidet zudem nicht zwischen den Staatsanwälten, die direkt dem Justizministerium unterstehen, und den Richtern, wodurch alle direkt dem Justizministerium unterstehen.Daher kann nicht von fairen Gerichtsverfahren ausgegangen werden, die Angeklagten vor Gericht ein Minimum an fairen Prozessbedingungen garantieren würden.
Weiterhin sieht das Gesetz zur Schaffung des Sondergerichtshofs für Terrorismus, der sich aus zivilen und militärischen Ermittlungsrichtern zusammensetzt, keinerlei Möglichkeit vor, die Entscheidungen der Ermittlungsrichter anzufechten. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung des Terrorismus und seiner Finanzierung sind uneindeutig, unklar und unbestimmt. Sie geben den Richtern die Befugnis, jede Handlung als terroristische Tat auszulegen, ohne dass die Möglichkeit einer Überprüfung oder Berufung gegeben wäre.
Mit dem Erlass des Gesetzdekrets Nr. 10 von 2018 wurde zudem syrischen Behörden das Recht einräumt, das Eigentum von Vertriebenen und Flüchtlingen zu beschlagnahmen. Zusätzlich ermöglichen weitere Gesetzgebungen, dass das Eigentum von Dissidenten eingezogen und sie selbst in Abwesenheit zur Todesstrafe verurteilt werden können.
Die Artikel 285 bis 288 des syrischen Strafgesetzbuchs sehen eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren für diejenigen vor, die „Falschnachrichten“ verbreiten, die „nationale Stimmung“ schwächen oder die „Moral der Nation“ schwächen würden. Auf Basis dieser Artikel sind in der Vergangenheit bereits Tausende von politischen Gegnern und Menschenrechtsaktivisten zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
http://www.moj.gov.sy/index.php
Darüber hinaus wurden Erklärungen von führenden hochrangigen Militär- und Sicherheitsbeamten sowie vom Innenminister abgegeben, in denen Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr bedroht wurden.
https://youtu.be/PDbWKyl8uJE
https://nedaa-sy.com/news/8035

Syrer*innen sind darüber hinaus in Syrien weiterhin von Vertreibung und Flucht bedroht. Inzwischen wurden vier Millionen Menschen nach Idlib vertrieben als Folge der Politik der verbrannten Erde, die vom Regime und Russland in vielen Gebieten Syriens verfolgt wird.
Die hier unterzeichnenden Organisationen sind aufgrund der geschilderten (menschen-)rechtlichen Situation in Syrien der Ansicht, dass syrische Flüchtlinge in dem Kontext bei einer Rückkehr nach Syrien nicht sicher wären und den Gefahren von Verfolgung und Tod schutzlos ausgeliefert wären. Gleichzeitig gibt es in Syrien keinerlei Möglichkeiten, die Verantwortlichen für die massiven Verbrechen – die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen darstellen – strafrechtlich zu verfolgen.
Daher dürfen syrische Flüchtling unter keinen Umständen zur Rückkehr gezwungen werden, weder durch prekäre Aufenthaltstitel noch durch eine Verschlechterung ihrer materiellen Grundsicherung. Dies würde einen schwerwiegenden Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und das internationale Menschenrechtsgesetz darstellen und einen Verstoß gegen die deutsche Verfassung selbst.

Wir möchten hiermit unterstreichen, dass jeder Prozess, der die Rückkehr von Flüchtlingen zum Ziel hat, die folgenden Bedingungen erfüllen muss:
1- Ein vollständiger Stop aller Kampfhandlungen in Syrien.
2- Die Aufklärung des Verbleibe aller Häftlinge und Verschwundenen.
3- Das Abziehen aller Milizen und ausländischen Streitkräfte aus Syrien.
4- Die Entwaffnung aller lokalen Milizen und Sicherheitsdienste.
5- Die Existenz einer komplett unabhängigen, unparteiischen und neutralen Justiz.
6- Die Rechenschaftspflicht gegenüber allen, die für die in Syrien begangenen Verbrechen verantwortlich sind, da Flüchtlinge sonst unter die Herrschaft derjenigen zurückkehren müsste, die für die Zerstörung ihrer Häuser, der Plünderung ihres Eigentums, ihre Vertreibung und den Tod ihrer Familien verantwortlich sind, und sich selbst in Todesgefahr begeben.
7- Eine umfassende Änderung der Rechtslage in Syrien, die mit der Verfassung und der Aufhebung der Immunität der Sicherheitskräfte, der Armee und der Polizei vor der Justiz, sowie der Annullierung des Gerichtshofs für Terrorismus beginnt.
8- Die Aufhebung des Dekrets Nr. 10 von 2018 und die Annullierung aller seiner Auswirkungen.
9- Der Stop aller willkürlichen Verhaftungen.
10 – Die Schaffung eines wirksamen internationalen Mechanismus, der nach der Erfüllung der vorausgegangen Forderungen eine sichere Rückkehr der Syrer in ihrem Heimatland überwacht und gewährleistet.

Mit freundlichen Grüssen
Berlin 7/6/2019
Richtanwalt Anwar Albuni
Das syrische Zentrum für Jura studien und -forschung
Diese Nachricht wird unterstützt von:
1- Vereinigung syrischer Organisationen in Deutschland ( 23 Organizations)
2- Syrische feministische Lobby
3- Adopt revolution
4- Katrin Langensiepen. Bundnis 90 Die Grunen (MdEP)

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